Kochkor

Di. 07.10.2014
In Balykchy stieg ich in einen privaten Minibus nach Kochkor um, in dem passend zur Landschaft heimische Volksmusik mit Akkordeon lief. Von Kochkor wollte ich zunächst unbedingt über den Dolon-Pass nach Naryn fahren, so wie der Lastwagenfahrer Iljas in Tschingis Aitmatows Geschichte, und am nächsten Tag nach Möglichkeit über den Bergsee Song-Köl (3016m) zurück. Wegen des unbeständigen Wetters der letzten Tage lag am Song-Köl bereits Schnee und er war, wenn überhaupt, nur noch über einen Umweg über den Dolon-Pass zu erreichen, bekam ich beim CBT (Community-Based Tourism) zu hören. Ein Jeep war mit zwei Touristen heute bereits zu dieser Tour aufgebrochen. Wegen des bevorstehenden Kälteeinbruchs mit Niederschlägen am Nachmittag des nächsten Tages sah ich das als die einzige Möglichkeit, den Dolon-Pass mitsamt Song-Köl noch zu erreichen. Bei der Touristenagentur Jailoo kam nach über 90 statt der angekündigten fünf Minuten die englisch sprechende Dame und nach 10 Sekunden Gespräch war klar, dass sie mir nichts mehr anbieten konnte. Nun verließ mich der Mumm und ich fuhr nicht mal mehr die drei Stunden über den Dolon-Pass nach Naryn, das ich bei Dunkelheit ohne Unterkunft auf 2030m Höhe in der Kälte hätte erreichen können. So ging ich zum Tulekeev Guesthouse im Ort und all die angedachten Abenteuer waren somit gestorben, außer ich würde eine verwegene Aktion am nächsten Tag bei schlechtem Wetter starten. So war ich in Kochkor gestrandet und zudem ging es im weiteren Verlauf meiner Reise nur wieder über Bischkek in die etwas wärmere Gegend im Südwesten des Landes, nach der ich mich nun sehnte. Der abendliche Spaziergang durch den Ort war mit einem Frustkauf einer Ein-Liter-Plastikflasche Bier verbunden. Immerhin sah ich noch, wie eine Schafherde von zwei Reitern entlang der Dorfstraße nach Hause getrieben wurde.

Schafherde auf der Hauptstraße in Kochkor
Schafherde auf der Hauptstraße in Kochkor

Beim Abendessen in der günstigen Dorfkantine war ein freundlicher alter Mann, der mich zu seinem Tisch bat, Lagman empfahl und am Ende des Essens ein kurzes Gebet sprach. Im Ort sprach mich ein gleichaltriger Mann an, der auf das Stichwort Deutschland Hitler, die Stadt Freiburg, den Fußballverein Stuttgart und Arjen Robben nannte. Ich merkte, dass ich heute keinen Nerv für Konversationen dieser Art hatte und verzog mich um 6 bei langsam einsetzender Dunkelheit in mein einsames Zimmer, konnte aber immerhin den großen Vorraum nutzen und mich mit meinem Tablet und meinem Reiseführer beschäftigen.

Mi. 08.10.2014
Im Vorraum stand das Frühstück schon da und die Großmutter des Hauses brachte gerade heißes Wasser für den Tee. Den Regen wollte ich durch eine Fahrt nach Bischkek am Nachmittag umgehen, denn hier sollte der Vormittag und in Bischkek der Abend trocken sein. Die kalte Nacht bei 0 Grad wollte ich auch lieber in der Stadt als auf dem Dorf verbringen. So ließ ich mir am Vormittag Zeit und verabschiedete die Großmutter und ihre drei Enkel. Der Zweijährige hatte heute keinen guten Tag: Er heulte viel, auch wenn der Dreizehnjährige ihn streichelte. Die Fünfzehnjährige sang im Nebenzimmer. Ich hatte noch den Geistesblitz und schenkte den Kindern drei meiner mitgebrachten Goldberg-Bleistifte und ging fröhlich in den beginnenden Regen hinaus.

Tosor

So. 05.10.2014
Wir fanden gemeinsam das Gästehaus Ak Keme und gingen bei Sonnenschein zum Strand des Yssykköl. Man konnte die schneebedeckten Berge hinter dem über 50 km entfernten Nordufer sehen, der Strand sah ähnlich aus wie an der Ostsee und in unserem Rücken hatten wir ebenfalls verschneite Berge.

Am Südufer des Yssykköl
Blick vom Südufer des Yssykköl zu den Bergen im Norden
Berge auf der Südseite des Sees
Berge auf der Südseite des Sees

Simon badete sogar im kalten See auf 1606m Höhe. Im Dorf sahen wir, wie die Kühe von der Weide in den Stall getrieben wurden.

Tosor am Abend
Tosor am Abend

Ein Mädchen führte ganz verantwortungsvoll eine einzelne Kuh nach Hause.

Mädchen mit Kuh
Mädchen mit Kuh

Den Abend saßen wir in der Küche zusammen und aßen Käsebrot und Spaghetti.

Mo. 06.10.2014
Nach dem Frühstück verabschiedeten sich Anja und Simon nach Bischkek und ich ging los Richtung Skazka-Tal. Die Hündin der Unterkunft folgte mir mehrere Kilometer, drehte aber um, als sich Regen abzeichnete. Als meine Straße ganz nah am Ufer entlang ging, regnete es und ich rettete mich in ein unverhofft dastehendes Häuschen. Die bewirtende ältere Dame schaute fern und gab mir einen Tee. Als ich bei der Abzweigung ins Skazka-Tal war, regnete es wieder und ich konnte mich kaum dazu überwinden weiterzugehen. Das Tal war mit grünen und roten Hügelchen übersät und ich musste nur einmal ein natürliches Regendach suchen.

Hügel im Skazka-Tal
Hügel im Skazka-Tal

Danach wurde ich mit einem Regenbogen belohnt. Weiter im Tal gab es immer höhere Hügel und es gab auch eine langgezogene natürliche Mauer und eine Schlucht.

Vor den rot gefärbten Bergen
Vor den rot gefärbten Bergen

Besonders beeindruckend waren die rote Farbe und die Form der Hügel.

Rote Berge im Sonnenschein
Rote Berge im Sonnenschein

An der Schlucht traf ich drei Männer: einen Deutschen, einen Deutsch-Russen und einen Kirgisen, die zuvor mit ihrem Geländewagen an mir vorbeigefahren waren. Sie hatten Messungen zur radioaktiven Strahlung von sowjetischen stillgelegten Uranabbaugebieten gemacht und heute einen freien Tag. Gemeinsam konnten wir es gut erwarten bis die Sonne für schöne Fotos nochmal rauskam.

Blick bis über den Yssykköl
Blick bis über den Yssykköl

Zudem nahmen sie mich bis an die Hauptstraße mit. Auf dem Rückweg konnte ich neben Eseln, Kühen, Pferden und Schafen auch sehen, wie Heu, das heute etwas Regen abbekommen hatte, von ein paar Männern aufgeladen wurde.

Heuwagen
Heuwagen

Ein jüngerer stand mit einem zweiten Sowjet-Kleinlaster da und sprach mich an. So kam es, dass ich mit ihm ein wenig mitfahren durfte, bevor er und der Heuwagen in die Berge abbogen, wo sie im Sommer wohnen und ihre Tiere haben. In der Unterkunft zeigte mir der Großvater des Hauses die 13 Jungen der Hündin sowie die eigenen Schafe, ein Kalb und eine Kuh. Außerdem gab es Küken und eine anthrazit-graue kleine Katze. Zum Abendessen bekam ich Manti, Teigtaschen mit Fleisch- und Krautfüllung.

Di. 07.10.2014
Da bei meiner Abreise im Gästehaus keiner mehr anzutreffen war, hinterließ ich ein kleines Zettelchen. An der Hauptstraße fuhr nach kurzer Wartezeit eine Marschrutka nach Westen vorbei, in der ich für die erste Teilstrecke einen Stehplatz bekam.