Solowetski-Inseln

Mo. 11.08.2014
Nun musste ich irgendwie ein Schiff zu den Solowetski-Inseln im Weißen Meer bekommen. Im Bus zur Anlegestelle lernte ich Jurij aus Moskau kennen. Er wird zwei Wochen im dortigen Kloster verbringen, um aus dem hektischen Stadtleben auszubrechen. Außerdem half er mir beim Kauf des Tickets für die zweistündige Schiffsfahrt.

Auf den Inseln bekam ich kein günstiges Bett mehr, weil dort in den nächsten Tagen ein Musikfestival für Liedermacher stattfindet und die Insel inklusive Campingplatz gut ausgebucht ist. Einen Platz auf dem Campingplatz lehnte ich ab. Mal sehen, wie das aussieht, wenn der Geldbeutel auf den Reisen nach und nach dünner wird. Bei bedecktem Himmel schaute ich mir das Dorf an. Es liegt idyllisch, umgeben von Wasser und hier scheinen die Uhren langsamer zu gehen, sehr erholsam.

Auf der Hauptinsel
Auf der Hauptinsel

Zu Sowjet-Zeiten war hier ein brutal geführtes Straflager (Gulag), zum Glück ist das Vergangenheit und es steht heute wieder das Kloster im Vordergrund.

Kloster
Kloster

Am Abend war ein Konzert mit Auftritten verschiedener Liedermacher. Verstanden habe ich nichts, aber es waren schöne Melodien dabei.

Mein liebster Musiker beim Konzert
Mein liebster Musiker beim Konzert

Der letzte Künstler bekam einen Zettel zugeschoben und sang daraufhin für eine Frau im Publikum ein Lied. Das hatte wohl ihr Freund eingefädelt, der neben ihr saß und liebevoll von ihr gehalten wurde.

Di. 12.08.2014
Mit Internet für Reisende läuft hier eher nichts. Zwei Hotels bieten WLan an, aber nur gegen Bezahlung und beim ersten hat’s spärlich bis gar nicht funktioniert. Also konnte ich mich ganz der Erholung und Erkundung auf der Hauptinsel (24×16 km, 900 Einwohner) widmen. Im schönen Hotel-Holzbau verbrachte ich fast zu viel Zeit, aber so hielt ich meinen Blog, wenn auch noch nicht online, auf dem neuesten Stand. Am späten Abend hatte ich den Campingplatz im Visier und wollte mich dort mit ans Lagerfeuer setzen. Es gab mehrere, aber am größten wurde mit zwei Gitarren und einer Geige musiziert. So setzte ich mich wie viele andere dazu und genoss das Lagerfeuer und die Musik.

Live-Musik am Lagerfeuer
Live-Musik am Lagerfeuer

Im Norden war der Horizont leicht hell und im Süden schien der (Fast-)Vollmond. Die besten Dinge im Leben gibt es umsonst. Eine Mitzuhörerin fand’s ganz toll, dass ich aus Deutschland komme und verabschiedete mich ganz freundlich, als sie ging. Auch ich ging um Viertel nach zwei, als bereits eine zweite Combo spielte.

Mi. 13.08.2014
Tags darauf erkundete ich mit dem gemieteten Mountainbike die nördliche Umgebung und fuhr an schönen Seen vorbei bis zum immerhin 78 Meter hohen Sekirnaja-Hügel, auf dem die Auferstehungskirche stand und von dem man aufs Savvatjewski-Kloster bicken konnte, über das ich heimradelte.

Auf dem Sekirnaja-Hügel
Auf dem Sekirnaja-Hügel

Am Abend wurde das Wetter immer besser und so schaute ich mir über eine Stunde lang an, wie die Sonne hinter dem Weißen Meer unterging und wunderschöne Farben am Himmel hinterließ.

Sonnenuntergang
Sonnenuntergang

Do. 14.08.2014
Am letzten Tag auf den Inseln war das Wetter am schönsten, also auch nicht schlimm, dass ich schon um 10 Uhr mein Zimmer räumen musste. Nach dem üppigen Frühstück in der Unterkunft ging ich Richtung Süden zu den Stein-Labyrinthen, die teils 4000 Jahre alte Überbleibsel in Nordskandinavien und Nordwestrussland sind. Dort badeten zwei ältere Paare im kalten Meer.

Am Weißen Meer
Am Weißen Meer

Ich ging etwas weiter und legte mich auf einer Wiese am Ufer in die Sonne. Danach ging auch ich ins kalte Wasser – bis zum Knöchel. Mangels Bargeld konnte ich mich auf meine bevorstehende nächste Nachtzugfahrt nur bedingt ausrüsten. So verabschiedete ich mich auf dem Schiff – umgeben von Möven – von den Solowetski-Inseln.

Abschied von den Solowetski-Inseln
Abschied von den Solowetski-Inseln

Zugfahrt in den Norden

Nach langem Hin und Her und vielen Wettervorhersagen beschloss ich, in mehreren Etappen bis nördlich des Polarkreises nach Murmansk zu fahren. Im Nachtzug nach Kem‘ lernte ich Gennadij (kurz: Gena) und Jurij kennen. Sie fuhren die kompletten 26 Stunden zurück in ihre Heimatstadt Murmansk und waren essens- und trinktechnisch deutlich besser ausgerüstet als ich: Sie hatten einfach alles dabei, was man so in einem Haushalt hat. Da konnte ich mit meinen Äpfeln, Bananen, Keksen, Wasser und Mini-Croissants nicht mithalten. Sie boten mir Brot mit Streichkäse, Wurst und selbstverständlich Wodka an.

Mit Gena und Jurij im Zugabteil
Mit Gena und Jurij im Zugabteil

Gena sprach kein Englisch oder Deutsch, meinte aber irgend etwas wie „zu einem Wodka gehört ein zweiter und der dritte ist zum Verteilen im Magen“. Beim Reden übers Trinken schlug er mit dem rechten Handrücken leicht ans linke Unterkinn. Am Ende teilten die beiden die ganze (ihre vermutlich einzige) Flasche mit mir. Dabei achteten sie darauf, dass mein Wasser keine Kohlensäure beinhaltete, denn das sei in Kombination mit dem Wodka nicht gut. Es war etwas beschämend, denn ich hatte nichts Brauchbares zurückzugeben. Aber das war den beiden auch nicht wichtig. Da habe ich doch gleich mal die viel besagte russische Gastfreundschaft erfahren und für die nächste Zugfahrt werde ich mich dann besser rüsten. Wir haben uns trotz aller Sprachprobleme mit Wörterbuch glänzend unterhalten und gelacht. Jurij konnte etwas Englisch und auch ein bisschen Deutsch, er war schon in Hamburg und Bremen und ist dort Straßenbahn gefahren. Auch jetzt sind die beiden noch Fahrer, in Murmansk. Außer meinem Taschenmesser hatte ich kein Geschirr oder Besteck dabei. Auch das wäre nötig gewesen: In russischen Zügen kann man sich kochendes Wasser nehmen und damit immerhin warme Fertiggerichte und vor allem Tee oder Nescafe machen. Es war den beiden wichtig, dass ich jetzt auf die Nacht noch einen Tee trinke, also besorgte Gena mir ein Teeglas im Metallbehältnis von der Russischen Bahn RZD. Erst eine knappe Stunde vor meiner Ankunft standen wir auf und das wichtigste für die beiden war, dass ich noch mit ihnen frühstücke und einen Tee trinke. Zum Abschied schenkte Jurij mir auch noch ein Tütchen Haselnüsse. Also ich glaube, dass ich mir hier in Russland keine Sorgen machen muss, dass ich irgendwo zu wenig zum Essen oder zum Trinken bekommen werde.