Fahrt in den Norden

Sa. 27.12.2014
Der Rezeptionist gab mir noch den Tipp, nicht vom Zentrum aus zu trampen, weil mich schlichtweg keiner mitnehmen würde. Die Zugfahrt in den Vorort Clarkson war beschwerlicher als gedacht, weil ein Teilstück gesperrt war und Ersatzbusse fuhren. In Clarkson fuhr ich mit dem Bus zur nach Norden führenden Marmion Avenue. Hier stellte ich mich – unklar, was passieren würde – vorsichtig in die Mittagshitze. Viele, viele Autos fuhren vorbei, doch dann hielt eine große, alte Karre an. Die etwa 60-jährige in England geborene Sue saß am Steuer und erzählte, dass sie vom Wohnwagenpark Wanneroo nach Yanchep zu ihrem Sohn unterwegs sei. Ich fuhr gerne in ihrem Auto mit und hatte das Gefühl, so richtig in Australien angekommen zu sein. Sue lud mich an der Yanchep Lagoon ab und wir vereinbarten, dass sie mich nach ihrem Besuch von dort zur Hauptstraße Richtung Cervantes mitnehmen würde. So hatte ich einen unverhofften Aufenthalt am dortigen Strand mit dem türkis scheinenden Wasser.

Der Strand von Yanchep
Der Strand von Yanchep

Da es so heiß war, machte ich es mir unter einem Baum bequem. Sue kam lange nicht und nach fast einer halben Stunde Wartezeit zweifelte ich knapp 4 Stunden vor dem Sonnenuntergang daran, dass ich an dem Tag noch nach Cervantes kommen würde. Als ich mich schon auf den Weg machte, kam Sue aber in den Kreisverkehr gefahren. Klar, einen Familienbesuch kann man nie so genau kalkulieren. Sie fuhr mich an eine Ampelkreuzung und meinte noch, dass ich mich, wenn alles schief laufen sollte, bei ihr im Wohnwagenpark melden könne. An der Kreuzung hielt nach ca. 10 Minuten der 53-jährige Familienvater Bruce mit einem großen Pickup an. Die knappe Stunde Fahrt plapperten wir durch. Er war so, wie ich mir einen Durchschnitts-Westaustralier vorstelle. Er hatte sich (in diesem Fall ohne höhere Schulbildung) nach oben gearbeitet und hat jetzt als Selbstständiger einen eigenen Kran. Mir kamen auch wieder Lucas‘ Worte von meinem ersten Abend in Perth in den Sinn, denn „making good money“ war schon immer wieder ein Thema, wenn er über sich oder andere redete. In den Weihnachtsfeiertagen hatte er wie fast alle Australier frei. Er erzählte ganz locker und offen, dass er zwei Töchter (im Alter von 14 und 16 Jahren) habe und es am Vortag einen Zwist gab. So kam ihm das Angebot eines Freundes, in Lancelin zusammenzukommen, gerade recht und er fuhr mit einer Kühlbox voller Becks los, um einen Tag Pause von seinen drei Frauen zuhause zu haben. So kam ich also zu dieser Mitfahrgelegenheit. Gerne hätte er mich noch weiter mitgenommen, sagte er zum Abschied. Nach wieder ca. 10 Minuten hielt der 41-jährige Tony mit einem Kleinwagen an. Er meinte, er wäre auf dem Weg zu den Pinnacles. Da ich diese Touristenattraktion ohnehin am nächsten Tag ansteuern wollte, fuhr ich gerne mit. Zudem bot Tony mir an, für mich anschließend den Umweg nach Cervantes zu fahren. Da hatte ich ordentliches Glück ihn zu treffen. Also machten wir uns gemeinsam auf den Weg zu den aus dem Wüstenboden ragenden Kalksteinfelsen und es war mir eine Ehre, wenigstens den Eintritt für’s Auto zu übernehmen. Inmitten der Pinnacles erzählte Tony mir, wie es dazu kam, dass er auf dem Weg nach Norden war. Kurz vor unserem Zusammentreffen hatte er beim Tanken mal auf seinem Smartphone geschaut, was es hier in der Gegend zu sehen gibt und kam so zur Idee mit den Pinnacles und nun waren wir beide dort bei wunderschönem Abendlicht, ohne es eine Stunde zuvor gewusst zu haben.

Erste Pinnacles
Erste Pinnacles

Tony fuhr den Rundkurs und hielt immer wieder an.

Vor den Pinnacles
Vor den Pinnacles

Am schönen Aussichtspunkt sahen wir besonders viele Kalksteinfelsen.

Pinnacles-Panorama
Pinnacles-Panorama

Und ein Foto unserer Schicksalsgemeinschaft musste schon noch sein.

Mit Tony vor den Pinnacles
Mit Tony vor den Pinnacles

Im Gegensatz zu Bruce redete Tony nicht viel, es schien aber dafür sehr durchdacht. Auf dem Weg nach Cervantes hatten wir uns so angefreundet, dass Tony mich bis zu meiner Unterkunft fuhr und wir unsere Kontaktdaten austauschten. Mit mehrfachem Daumen-hoch-Zeichen fuhr Tony davon.

Ein Gedanke zu „Fahrt in den Norden“

  1. Dear Berthold!

    since you’re in Australia I allow myself to wish you a (belated) Merry Christmas and (not late) Happy New Year! And … these wishes are from the snowy, frozen Germany (minus 6 celsius degree here in Konstanz!) … Think how lucky you’re! I personally would love to have a summer Christmas! Thanks a lot for your writings! And take care, Rui

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