Buchara

Di. 09.09.2014
Im Stadtzentrum angekommen wurde das grauhaarige französische Paar aus meinem Taxi abgeholt und als ich mich von den beiden verabschiedete, sah ich Katja und Volker und im nächsten Moment Marei und Nico wieder. Sie waren alle ebenfalls hier im Malikjon B&B House untergebracht und so handelte ich ein Bett für 10 Dollar im nur noch übrigen Zweibettzimmer für mich aus. Marei und Nico trafen sich mit Shavkat, einem usbekischen Touristenführer. Ich schloss mich ihnen an und wir lauschten seinen Erklärungen und Geschichten vor der schönsten Kulisse Bucharas.

Vor dem Kalon-Minarett
Vor dem Kalon-Minarett

Ich konnte mir richtig vorstellen, wie damals die Händler in den Karawansereien (ummauerten Herbergen auch für Kamele) unterkamen und die Jugendlichen in Medresen (Koranschulen) den Koran und andere Wissenschaften gelehrt bekamen. Medresen bestehen zumeist aus einem großen verzierten Portal, einer Moschee auf der einen Seite, einem Studiengebäude auf der anderen Seite sowie den Zimmern für die Jugendlichen. Bei Sonnenunter- und Mondaufgang aßen wir über den Dächern Bucharas zu Abend. Dabei erzählte uns Shavkat über das Leben in Usbekistan, z.B. dass das übliche Heiratsalter der Frauen zwischen 17 und 21 Jahren liegt. Im Hostel traf ich meinen eingezogenen Zimmergenossen Jurabek. Er ist deutschsprachiger Reiseleiter aus Chiwa und erzählte mir ganz offen über sich. Mit seinen 27 Jahren ist er eigentlich Englischlehrer, hat aber zusätzlich am Goethe-Institut Taschkent deutsch gelernt. Als Lehrer verdient er 200 Dollar im Monat, als Reiseleiter 40 Dollar am Tag. Und nun lernte ich ein wenig dazu, was das Familienleben in Usbekistan angeht. Während seiner Zeit in Taschkent war er dort in ein Mädchen verliebt, aber eine Hochzeit scheiterte nicht an den materiellen Bedingungen der Brauteltern, sondern daran, dass die Hochzeit in Taschkent hätte stattfinden sollen. Das ging von seiner Familienseite aber nicht. So wurde nichts aus der Liebesheirat, aber daraufhin fand seine Mutter in Chiwa eine Frau für ihn und wenig später wurde geheiratet. Nun haben sie zwei Kinder und Jurabek meinte, so langsam verlieben sie sich jetzt ineinander. Mir war vor dieser Geschichte nicht klar, dass in Usbekistan die Eltern ihre Kinder verheiraten und die Bedingungen stellen. Da kamen mir wieder die Pärchen auf der dunklen Minaretttreppe in Chiwa in den Sinn, deren Eltern sicher nichts davon wussten. Genauso dachte ich mir, dass manche blutjunge Hochzeitspaare oft weniger fröhlich aussahen als die Hochzeitsgesellschaft drumrum.

Mi. 10.09.2014
Nach dem langen Gespräch bis in die Nacht ging ich spät zum Char Minar, wo ich einen aufgeschlossenen, alleine reisenden Franzosen traf, der noch einen Fotoapparat mit Negativfilm hatte.

Char Minar: Titelbild meines Lonely Planet in der Hand
Char Minar: Titelbild meines Lonely Planet in der Hand

Mit dem Bus fuhr ich zum Sommerpalast des letzten Emirs Alim Khan. Als eine Horde Grundschüler einstieg, wurde sie vom Busfahrer und Begleiter ordentlich zusammengeschrien und zurechtgewiesen. Der Palast war sehr schön anzusehen. Voller Euphorie an diesem lockeren Tag beobachtete ich das Leben in der Stadt: die wie eine Schülerin aussehende junge Mutter in der Marschrutka, die ihren kleinen Sohn liebevoll anschaute, die einzelnen älteren Männer, die sich im Schatten am Straßenrand ausruhten, während die jüngeren miteinander Karten spielten, und die zwei Apothekerinnen, die in ihren weißen Kitteln vor der Apotheke mit einer dritten Frau einen Fußball hin- und herpritschten. Leider wurde diese Euphorie gebremst, weil – Ironie des Schicksals – der Visumsantrag für Myanmar, nicht für China, unvollständig ist. Also ging ich wenig begeistert ins Internet-Cafe, um diese Unterlagen fertigzumachen. Dabei half mir das dort arbeitende Mädchen ganz lieb beim Aufkleben meiner Passbilder. Gut, dass ich für alle Fälle mit meinen Unterlagen und Daten gewappnet war, aber ob ich eine Post von Usbekistan nach Deutschland in nur einer Woche bekommen kann und wieviel das dann kosten wird, wusste ich noch nicht. Das war die Aufgabe für den nächsten Tag und ich trank auf den Frust sechs Bier, wobei das Bier im Pub nur 80 Cent kostete. Zuerst saß ich dort mit Jurabek zusammen und er erzählte mir mehr über sein Leben als Reiseleiter. Am Tresen arbeitete Rahim, der mich kurz an der für die einheimischen Gäste vorbereiteten Wasserpfeife ziehen ließ, Geschmack: Rose, sehr lecker. Der Israeli Yair erzählte abenteuerliche und teils wenig erfreuliche Geschichten über seinen sechsmonatigen Arbeits-Aufenthalt in Tadschikistan. Zum Schluss machten wir ein gemeinsames Foto.

Mit Barkeeper Rahim, Marei, Yair und Nico im "The Pub", dem einzigen Pub Bucharas
Mit Barkeeper Rahim, Marei, Yair und Nico im „The Pub“, dem einzigen Pub Bucharas

Do. 11.09.2014
Mit dem Wörterbuch in der Hand und dem Bemühen russisch zu sprechen wurde mir bei der Post sehr geholfen und ich konnte die Unterlagen für ca. 40 Euro per DHL-Express (5 Tage) nach Deutschland schicken. Auf dem Rückweg ging ich an einem Barbiersalon vorbei, der Barbier schaute fern. Dennoch bemerkte er mich und rief mir auf der Straße hinterher. Ich handelte mit ihm 4 Euro für’s Haare schneiden und Rasieren aus. Er machte eine gute Arbeit, renkte sogar meinen Kopf in beide Richtungen ein und ich war so glatt rasiert wie noch nie.

Nach dem Barbier-Besuch
Nach dem Barbier-Besuch

Erst auf Nachfrage im Hotel fand ich das Bozori Cord Hammam (Franks Geheimtipp) bei der zweiten Kuppel und ließ mich dort nach einem Dampfbad massieren und waschen. Der junge Herr dort verbog mich ordentlich und kurz stand er auch auf meinem Rücken, danach ruhte ich mich auf heißen Steinen aus. Am Ende war ich porentief rein und bekam vor dem Abschied noch einen Tee.

Bilderwand: So sieht ein Hammam-Besuch aus
Bilderwand: So sieht ein Hammam-Besuch aus

Nun nutzte ich die verbleibende Zeit, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu fotografieren: die drei Kuppeln, Abdul-Aziz-Khan-Medrese, Kalon-Moschee und -Minarett, Ark und Ismail-Samani-Mausoleum.

Neben den Mauern des Ark, im Hintergrund die Kalon-Moschee und die Mir-i-Arab-Medrese
Neben den Mauern des Ark, im Hintergrund die Kalon-Moschee und die Mir-i-Arab-Medrese
Becken am Lyabi Hauz
Pool am Lyabi Hauz

Zurück am Lyabi Hauz, dem Platz um den Pool, traf ich zu unserer Freude Shavkat und wir unterhielten uns von der Dämmerung bis in die Nacht über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Kulturen, z.B. über den Stellenwert der Religion und den Respekt vor dem Alter. Zudem gab er mir noch Tipps zu den Bergen um Taschkent und wir planten, uns mit Marei und Nico in Samarkand nochmal zu treffen. Der erfolgreiche Tag endete früh, weil am nächsten Tag die frühe Zugfahrt nach Samarkand anstand, aber in einem angenehmen klimatisierten Zug durch eine abwechslungsreiche Landschaft von grün bis Wüste.