Taschkent (1)

Do. 04.09.2014
In Taschkent gelandet merkte ich schnell, dass hier in Usbekistan das Leben doch etwas anders läuft. Bei der Passkontrolle war ein ordentliches Gedränge, so dass ich, während ich noch versuchte ein paar Lücken auf dem rein russischen Zoll-Deklarations-Formular zu schließen, von der Mitte des Pulks fast ganz ans Ende geriet. Das lange Anstehen bei der Passkontrolle war aber nur die erste Hürde, jetzt wurde nochmal das ganze Gepäck durchleuchtet und die den usbekischen Behörden hochwichtige Zollerklärung aufs Genaueste überprüft. Das dauerte ewig und als ich dann dran war, wollte der Uniformierte mir zunächst nicht helfen, und ich verstand auch sein englisch „in words“ nicht. Eine Touristin half mir und ich verstand, dass ich die Geldangaben meiner drei Währungen auch in Worten angeben musste. Zum Glück fiel mir ein, dass ich dieses Formular ein zweites Mal für mich selbst ausfüllen musste, also durfte ich zur Übung die Zahlen einmal selbst auf russisch ausschreiben, worauf ich dann doch etwas stolz war. Aber man hätte diese wohl auch auf englisch angeben können. Den Rest meines lückenhaften Formulars füllte der Uniformierte dann für mich aus, aber besonders begeistert schaute er dabei nicht. Für mich war diese ganze Mühle ein sinnloses Gängeln von Touristen und ich ärgerte mich. Jetzt wollte ich usbekische Sum abheben, der Geldautomat bot nur Dollars an und die hatte ich ja in Mengen dabei. Also suchte ich eine Wechselstube, was nicht so einfach war. Manche Uniformierte halfen mir weiter, der freundlichste fasste mich an, als er mit mir redete, was hier wohl üblich ist. An der Wechselstube bekam ich für 100 Dollar 238900 Sum in 1000-Sum-Scheinen, insgesamt 241 Geldscheine und ich musste wirklich lachen. Der 1000-Sum-Schein ist ca. 30 Euro-Cent wert und war bis letztes Jahr, als der 5000-Sum-Schein eingeführt wurde, der größte Geldschein. Vom 5000-Sum-Schein wussten zu diesem Zeitpunkt weder mein aktueller Lonely Planet noch ich etwas. Mit Landeswährung in der Tasche wollte ich nun den öffentlichen Bus in die Altstadt nehmen, auch wenn die Sonne eben untergegangen war. Beim Ausgang wurde ich regelrecht von Taxifahrern angefallen. Das Gespräch mit einem verlief etwa so: „Taxi?“ – „Nein.“ – „5 Dollar.“ – „Nein, ich nehme den Bus.“ – „Es fahren keine Busse mehr, gehen wir!“ Ich ließ mich überreden und stieg ein. Der Taxifahrer war sehr freundlich und wir unterhielten uns etwas, aber er sagte mir sehr früh, dass ich auf dem Schwarzmarkt 2600 Sum für einen Dollar bekommen kann. Im Lonely Planet steht bis zu 30% mehr, nur wusste ich nicht, ob der Geldwechsel auf dem Schwarzmarkt nicht gewisse Gefahren in sich birgt. Jedenfalls zeigte mir der Taxifahrer ein wenig die Stadt, fuhr also womöglich etwas Umweg um Zeit und mein Vertrauen zu gewinnen. Wir machten uns mit dem Namen bekannt und auch er fasste mich einmal im Gespräch an. Beim Chorsu-Basar hielt er an und sagte, hier könne ich Geld wechseln. Das war mir bei Dunkelheit etwas heikel, aber er öffnete sein Handschuhfach und mir dämmerte, dass er selbst zu seinem vorgeschlagenen Kurs von 2600 Sum wechseln wollte. Aber ich lehnte ab und wir fuhren weiter, mit schlechterer Stimmung als zuvor. Das war für mich nicht einfach auszuhalten und vor dem Gulnara Guesthouse sprachen wir nochmal über den Geldwechsel. Ich zeigte ihm die im Lonely Planet veraltete Information von 2800 Sum und wechselte am Ende 200 Dollar zum Kurs von 2650 Sum. Sicher ein besseres Geschäft als beim offiziellen Wechsel, aber ein deutlich schlechteres als beim Schwarzmarkt. Ob das jetzt gut für mich war, wusste ich nicht, aber ich war definitiv überfordert mit nun 768900 Sum in 771 Geldscheinen.

Über eine dreiviertel Million
Über eine dreiviertel Million

Nach vielen Tagen ohne größere Kontakte war das Gulnara Guesthouse mit seinem Innenhof und englisch sprechenden und Bier trinkenden Reisenden eine regelrechte Oase. Im 6-Bett-„Wohn-„Zimmer traf ich Onier und Ique aus Bilbao, die nach drei Wochen Urlaub ihren letzten Abend in Usbekistan hatten. Sie konnten mir ein bisschen von ihren Erfahrungen im Land erzählen und Tipps geben. So ging ich noch Schaschlik essen und kaufte eine 1,25-Liter-Plastikbierflasche „Bräufest“. Im Innenhof unterhielt ich mich sehr angenehm mit James aus London, bis unsere Biervorräte alle waren. James und Stu sind sieben Monate mit dem Auto unterwegs und auch sehr interessiert an den verschiedenen Kulturen. Alles in allem war das sicher nicht mein bester Tag, weil vieles nicht glatt lief und ich mich auch etwas ungeschickt und blauäugig angestellt hatte, aber das muss man sich selbst dann verzeihen. Immerhin war ich ohne große Probleme mit den Behörden gut im Gulnara Guesthouse angekommen.

Fr. 05.09.2014
An meinem einzigen ganzen Tag in der 2,2-Millionen-Einwohner-Stadt Taschkent schaute ich mir so viel wie möglich an: In der Altstadt schlenderte ich über den Chorsu-Basar und kaufte Trauben ohne zu verhandeln und bezahlte dafür den deutschen Preis. Die Verkäuferin schaute mich nicht mehr an, als sie das Geld entgegennahm, weil sie sich womöglich schämte, mich so gnadenlos abgezockt zu haben.

Chorsu Basar
Chorsu Basar

Das religiöse Zentrum Usbekistans ist Khast Imom, der schönste Ort der Stadt, finde ich.

Auf dem Khast-Imom-Platz
Auf dem Khast-Imom-Platz

Dort ist ein Büchereimuseum, in dem der älteste Koran aus dem 7. Jahrhundert zu sehen ist, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich den für mein Eintrittsgeld zu sehen bekommen habe. Über die Auferstehungs-Kathedrale ging’s per U-Bahn in die Neustadt. Bei vier U-Bahn-Fahrten musste ich immer meinen Rucksack öffnen und dreimal meinen Pass zeigen, wobei es manchmal auch ein kurzes nettes Gespräch gab. Im U-Bahn-Schacht wurde ich angepfiffen und musste meine zwei dort gemachten Fotos vom schönen Motiv an der Wand und der Kuppel wieder löschen. In der Neustadt waren die Timur-Statue, (der nach den Mongolen Ende des 14. Jahrhunderts hier seine Schreckensherrschaft aufbaute, aber auch 35 Ländereien vereinte und vom Staatspräsidenten Islam Karimow zum Nationalhelden hochstilisiert wird,) die zugehörige Promenade und das Kriegsdenkmal der weinenden Mutter zu bemerken. Am Ende des Tages ging ich noch in den Navoi-Park, wo nahe des Hochzeitspalastes Fotos von einem Mann mit fünf hübschen Bräuten geschossen wurden.

5 Bräute
5 Bräute

Zurück am Chorsu-Basar holte ich mir einen Rinder-Yufka und konnte mich bei Dunkelheit nicht mehr so gut orientieren. Hier wurde ich immer wieder angesprochen, ob ich Dollar oder Euro zum Wechseln habe. Drei jugendliche Erwachsene zeigten mir den Weg und einer davon beglückwünschte mich per Handschlag zum Fußball-WM-Titel. Entlang der Beruni-Straße, in der ganz viele Lokalitäten waren, in denen Hochzeiten stattfanden, holte ich Bier, als hätte ich’s gewusst, dass es noch etwas zu feiern gibt: Meine Unterlagen aus Moskau sind in Kißlegg angekommen und der Weg zum chinesischen Visum ist geebnet. Im Hostel traf ich Kristiina aus Estland, die sich heute sehr über die unverschämten Preisangebote der Taxifahrer auf dem Weg von Osten nach Taschkent aufgeregt hat. Im Innenhof traf ich Volker und Katja aus Deutschland, Volker reist 11 Monate und seine Freundin macht nach Istanbul ihren zweiten Urlaub, um ihn zu treffen. Später kamen James und Stu dazu, aber am Ende blieben wieder James und ich, die die Biervorräte vernichteten. Dabei schrieb mir James sehr nette Worte in mein Büchlein.

James schreibt in mein Büchlein
James schreibt in mein Büchlein

Sa. 06.09.2014
Nun war der Inlandsflug nach Urgench an der Reihe. Nach dem Frühstück konnte ich mich von all den lieb gewonnenen Reisenden verabschieden und nahm den Bus zum Flughafen. Dort war eine ältere Dame mit Krücken als Gehhilfe und drei süßen Kindern. Ich durfte die drei fotografieren und unterhielt mich mit der Dame, die vor allem wissen wollte, woher ich komme und wo ich auf meinen Reisen nachts unterkomme.

Taschkenter Kinder
Taschkenter Kinder

Bei der lockeren Passkontrolle am Flughafen wurde ich ebenfalls auf den WM-Titel angesprochen, ein schöner Abschied aus Taschkent.

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