Kashgar

Fr. 17.10.2014
Mit der Landung in Ürümqi war ich also auf chinesischem Boden, aber noch nicht eingereist. Vor der Passkontrolle war ein unkoordiniertes Gedränge und ich war trotz aller Mühen einer der letzten, der zu den Passkontroll-Schlangen durfte. Das wäre mir egal gewesen, aber ich musste in der knappen Umsteigezeit mein Gepäck holen und neu aufgeben, also war ich doch etwas angespannt. Nun kam mein Zweitpass ins Spiel. Ich antwortete, dass ich aus Bischkek eingereist war. Der Beamte suchte nicht nach einem kirgisischen Stempel, sondern haute mir den chinesischen drauf und das war’s. Mein Gepäck fand ich auf dem falsch ausgezeichneten Band wieder und gelangte nach mehrmaligem Durchfragen zur Gepäckaufgabe, knapp aber noch rechtzeitig. Nun war der Weg nach Kashgar frei. Im Flugzeug konnte ich von meinem Fensterplatz sehen, wie wir erneut über das verschneite Tianshan-Hochgebirge flogen.

Flug über das Tianshan-Gebirge
Flug über das Tianshan-Gebirge

Im zweiten Teil des Fluges konnte ich nur ins wüstenneblige Nichts oberhalb der Sandwüste Taklamakan schauen. Am Flughafen Kashgar fand ich in der Abflughalle einen chinesischen Geldautomaten und war wieder flüssig. Allerdings war der Minibus abgefahren und ich musste ein Taxi nehmen. Der uigurische Fahrer wollte mir einen Kashgar-Stadtplan geben, den ich mir aber bereits am Flughafen besorgt hatte. Ich stellte schnell fest, dass hier die von den Chinesen gebauten Straßen breiter waren und es etwas geordneter als auf den kirgisischen Straßen zuging. Auffallend waren die vielen Elektroroller und das gar nicht chinesisch aussehende Volk der Uiguren. Von Kirgisistan kommend war das kaum eine Umstellung, weder äußerlich noch sprachlich: Uigurisch gehört ebenfalls zu den Turksprachen, auch wenn die arabische Schrift verwendet wird. Zuverlässig wurde ich an der Id-Kah-Moschee herausgelassen und bekam gleich einen Eindruck von der lebendigen Altstadt: Um die Moschee saßen ältere Männer zumeist mit Ziegenbart und Tubeteika, auf der Straße wurde Obst, Brot und Hammelfleisch verkauft und durch die schmale Straße schoben sich Fußgänger, Elektroroller und dreirädrige Pickups. Die Menschen zeigten sich mir als westlichen Touristen eher als zurückhaltend und keinesfalls als aufdringlich. Dennoch wurde ich ohne zu fragen von einem jungen Mann auf den Eingang zum Pamir Youth Hostel im dritten Stock hingewiesen. Ich fühlte mich direkt wohl und sicher in der Stadt. Im Hostel konnte ich von der schönen Terrasse auf die Straße blicken.

Blick auf die Norbesh-Straße
Blick auf die Norbesh-Straße

Immer wieder dudelte auch die hier überhaupt nicht herpassende Melodie von „We wish you a merry Christmas and a happy new year“ auf der Straße und ich konnte bis zum Schluss nicht ausmachen, woher genau. Dann machte ich mich los und ging durch diese Straße, aß ein dort lecker zusammengemischtes und gewürztes Gericht, fand auch ein Flaschenbier für den Abend und ging entlang eines Handwerkmarkts zum Flüsschen Tuman und über die Hauptstraße wieder zurück. Bei Dunkelheit genoss ich wieder den Blick von der Terrasse und kam mit einem Holländer und einer Malaysierin ins Gespräch.

Nächtlicher Blick auf die Norbesh-Straße
Nächtlicher Blick auf die Norbesh-Straße

Nun hörte man aus der Ferne immer wieder ein Trommeln und Tröten, das von fahrenden Hochzeitsgesellschaften kam. Im Sechser-Zimmer waren neben mir noch ein Paar aus Peking und ein junger Chinese.

Sa. 18.10.2014
Zu Beginn des Tages schaute ich mir die neben dem Hostel stehende Id-Kah-Moschee an.

Vor der Id-Kah-Moschee
Vor der Id-Kah-Moschee

Das Innengelände war sehr schön hergerichtet: eine kleine Allee, Grünanlagen, ein Teich und Gebetsflächen, die mit Teppichen ausgelegt werden können.

Allee im Gelände der Id-Kah-Moschee
Allee im Gelände der Id-Kah-Moschee

Die Räumlichkeiten hatten schöne Holzdecken und -säulen, typisch für die Seidenstraße, auf der ich mich wieder befand. Nun machte ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Dort erzählte ein Mann etwas und zwanzig andere Männer standen mit verwunderten Gesichtern und offenen Mündern rundum. Das ist eine ganz typische Straßenszene in Kashgar, aber ich stand womöglich ebenfalls mit offenem Mund daneben und betrachtete die uigurischen Gesichter. Im Bus gab es beim Einstieg einen wie eine Spendenbox aussehenden Einwurf für den 1-Yuan-Schein, den Fahrpreis. Drin war alles auf chinesisch, auch die einen vollplerrende Werbung am Fernsehschirm. Am Bahnhof tauschte ich meinen Ausdruck von der chinesischen Online-Reiseagentur in richtige Zugtickets um, wofür ich durch zwei Sicherheitskontrollen gehen musste. Geschickt erwischte ich einen Bus direkt zum Apak-Hotscha-Grabmal, einem sehr schönen typischen Seidenstraßen-Bau mit glasierten Kacheln und einer Freitagsmoschee mit individuell gestalteten Holzsäulen.

Apak-Hotscha-Grabmal
Apak-Hotscha-Grabmal
Holzsäulen
Holzsäulen bei der Freitagsmoschee

Rundum waren Rosengarten und im Inneren unter der Kuppel waren die Gräber des im 17. Jahrhundert Herrschenden und seiner Familienangehörigen, wobei seine Enkelin Xiang Fei (duftende Konkubine) erwähnenswert ist, die zuvor uigurische Aufständische anführte, aber besiegt wurde und als Konkubine des Kaisers Qianlong endete. Auch außen war eine riesige Grabanlage. Beim östlichen Stadtsee Dong Hu traf ich auf riesige Kontraste: auf der einen Seite waren riesige neu gebaute Hochhäuser, Kräne und ein Riesenrad, auf der anderen Seite eine uralt wirkende uigurische Flachdach-Lehmhäuser-Siedlung.

Hochhäuser, Riesenrad und Flachdach-Lehmhäuser-Siedlung
Hochhäuser, Riesenrad und Flachdach-Lehmhäuser-Siedlung

Um den See hatten die Chinesen eine schöne Grünfläche und Ruheoase geschaffen.

Am Ostsee der Stadt
Am Ostsee der Stadt

Auf der Straße konnte ich einen der wenig übrig gebliebenen Eselskarren vor dem Hintergrund der Hochhäuser sehen, sonst war größtenteils Elektroantrieb angesagt.

Großer Kontrast
Großer Kontrast

Um den und im Volkspark spielten Männer- oder Frauengruppen Karten oder Schach. Oft standen andere drumrum und wussten es vermeintlich besser, wo die letzte Schachfigur hätte hingestellt werden müssen. Im Volkspark war ein boomender Rummel mit allen möglichen Fahrgeschäften und staunenden Menschen drumrum. Zuletzt schaute ich mir noch das Grab von Yusup Has Hajip, einem uigurischen Dichter des 11. Jahrhunderts, an. Auch dies war ein beeindruckender Bau mit glasierten Kacheln und einem Rosengarten.

Grab von Yusuf Has Hajip
Grab von Yusup Has Hajip

Auf dem Rückweg ging ich am dem Platz des himmlischen Friedens nachgeahmten Hauptplatz mit riesiger Mao-Zedong-Statue und chinesischer Flagge vorbei durch die Altstadt mit ihren vielen Läden.

Mao-Zedong-Statue und chinesische Flagge
Mao-Zedong-Statue und chinesische Flagge

Im Hostel kam ich nun mit Max aus Holland näher ins Gespräch und wir gingen später noch auf den Nachtmarkt um die Ecke, auf dem Essen aller Art angeboten wurde. Wir aßen bei einem Jungen verschiedene Spieße mit Soße und nach Wahl etwas Schärfe und danach aufgeschnittene Honig- und Wassermelonen.

Verschiedene Spieße auf dem Nachtmarkt
Verschiedene Spieße auf dem Nachtmarkt

Unsere Melonenreste landeten bei den anderen, direkt neben einem Schild, auf dem stand, dass man keinen Müll auf den Boden werfen darf. Unglaublich viele Eindrücke prasselten auf dem Nachtmarkt auf mich nieder.

Essensstände auf dem Nachtmarkt
Essensstände auf dem Nachtmarkt

Später trafen wir im Hostel den fröhlich aufgelegten Japaner Kenta und beschlossen, dass wir am nächsten Tag gemeinsam zum Viehmarkt gehen werden.

So. 19.10.2014
Ren aus Guangzhou schloss sich ebenfalls an und wir aßen erst mal in der Altstadt zu viert 20 Hammelfleisch-Schaschlikspieße zum Frühstück. Kenta war in der Woche zuvor schon auf dem Viehmarkt und kannte die Busverbindung. Im Bus gabelten wir noch meinen chinesischen Zimmergenossen Vincent auf und waren somit zu fünft. Der Viehmarkt war vergleichbar mit denen in Kirgisistan, aber es gab auch Kamele, Yaks, Ziegen und Esel, dafür keine Pferde.

Riesige Kamele
Riesige Kamele
Yaks
Yaks
Eselmarkt
Eselmarkt

Wir konnten auf dem großen, geordneten Viehmarkt schön an alle Tiere im Sauberen herankommen. Am Rande des Marktes wurde Essen jeglicher Art verkauft, z.B. frisch gebackenes Brot und Fleisch von frisch geschlachteten Schafen.

Essensstände auf dem Viehmarkt
Essensstände auf dem Viehmarkt

An einer Stelle lagen Fell, Innereien und Schafkopf noch daneben. An der Bushaltestelle standen viele Uiguren, die sich für uns interessierten. Als Kenta seinen japanischen Pass herausholte, war er von einer Traube staunender Männer umgeben.

Kenta umgeben von Einheimischen
Kenta umgeben von Einheimischen

Gemeinsam gingen wir durch den Sonntagsmarkt, auf dem es alles zu kaufen gab. Bei den Trockenfrüchten und Walnüssen schlugen wir zu, konnten aber schwer die hoch angesetzten Preisvorschläge zu akzeptablen Preisen herunterhandeln.

Trockenfrüchte und Walnüsse auf dem Sonntagsmarkt
Trockenfrüchte und Walnüsse auf dem Sonntagsmarkt

Am interessantesten war der bunte Seidenmarkt, auf dem sich unzählige Frauen tummelten und auch einkauften.

Seidenmarkt
Seidenmarkt

Der Heimweg führte uns durch die Flachdach-Lehmhäuser-Siedlung, in der Kinder spielten und ein dreirädriger Pickup um unsere fotografierende Gruppe schoss.

In der Flachdach-Lehmhäuser-Siedlung
In der Flachdach-Lehmhäuser-Siedlung

In der angrenzenden östlichen Altstadt wurde ebenfalls auf der Straße verkauft: Brot, Gemüse, Tee und Töpferwaren. Zudem waren oder wurden die Häuser mit aufwändigen Verzierungen versehen.

Töpferwaren in der köstlichen Altstadt
Töpferwaren in der östlichen Altstadt

Für ein gemeinsames Abendessen im Hostel besorgte Ren Fleisch und ich Bier und wir saßen auf der Terrasse zusammen, wo sich später Jimmy aus Taiwan dazugesellte.

Abendessen mit Kenta, Vincent, Max und Ren
Abendessen mit Kenta, Vincent, Max und Ren

Obwohl uns das Bier bald ausging und manch einer müde war, saßen wir noch sehr lange zusammen: Ich bekam neue Einträge in mein Büchlein, wir tauschten die Kontaktdaten aus, hörten Musik (z.B. Whatever von Oasis oder Atlas‘ Hands von Benjamin Francis Leftwich, beides Hymnen für Langzeitreisende) und machten Fotos.

Gruppenbild mit Max, Ren, Kenta, Jimmy und Vincent
Gruppenbild mit Max, Ren, Kenta, Jimmy und Vincent

Auch andere Hostelgäste wollten ein Foto mit Max, dem Jungen mit dem goldenen Haar. Jimmy holte seine Polaroid-Kamera und schenkte mir ein gemeinsames Foto und Vincent schnappte sich die Gitarre des Hostels und spielte. Irgendwie konnten und wollten wir an dem Abend nicht voneinander gehen. Zum Schluss hörten wir uns noch unsere verschiedenen Nationalhymnen an und dann beendeten wir den Tag. Im Zimmer sagte mir Vincent noch, dass der Westsee in seiner Studentenstadt Hangzhou auf der Rückseite des 1-Yuan-Scheins abgebildet ist.

Mo. 20.10.2014
Kenta und ich hatten den gleichen Zug für die Weiterfahrt, darum gingen wir zusammen zum Bahnhof. In der Wartehalle erkannte uns ein Mann vom Viehmarkt wieder. Leider war ich drei Waggons weiter als Kenta, aber nach einem Ruhepäuschen besuchte ich ihn in seinem Waggon und wir unterhielten uns z.B. darüber, dass er drei Jahre lang 90 Stunden pro Woche gearbeitet hat.

Mit Kenta im Zug
Mit Kenta im Zug

Später unterhielten wir uns über ein Übersetzer-Programm mit einem jungen Chinesen, der den deutschen Fußball etwas kannte. Nach dem Abschied von Kenta schauten die zwei Männer in meinem Abteil auf meinen deutschen Pass, aber viel Kommunikation war leider nicht möglich, zudem war ich bereits in Kuqa angekommen.

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